Ethische Leitlinen für eine nachhaltige Zusammenarbeit
Forschung und Journalismus bei
Vielmehr für alle! – Verein für Bildung, Wohnen und Teilhabe
Vielmehr für alle! entstand 2012 als Initiative zur Bildungsförderung junger Menschen mit Flucht- und
Migrationserfahrung. Dabei vereinen wir in unserer Arbeit zivilgesellschaftliches Engagement und
fachliches Wissen, um die soziale Zugehörigkeit jener Menschen zu fördern, die über die Jahre Teil
unseres Vereins geworden sind – und zwar in allen Bereichen des Lebens. Dafür setzen wir vor allem
Maßnahmen in den Aktionsbereichen Bildung, Wohnen, Teilhabe und Arbeit um.
Den Schutz jener Menschen gewährleisten zu können, die unsere Bildungs- und Freizeitangebote
nutzen, ist uns ein wichtiges Anliegen. Um eine gute und beidseitig positive Zusammenarbeit mit
Forscher:innen und Journalist:innen zu gewährleisten, legt der Verein ethische Leitlinien vor. Durch
die Anwendung dieser Leitlinien möchte unser Verein die Weichen für eine gelungene Kooperation
mit externen Interessent:innen stellen und dabei sowohl unseren Schutzauftrag als auch die Integrität
unseres Vereins gegenüber seinen Nutzer:innen wahren.
Über die forschungsethischen Grundsätze und Verhaltenskodizes der eigenen Institution hinaus
bitten wir demnach alle Interessierten, folgende Punkte zu beachten:
Qualitative und quantitative Forschung
- Geplante Forschungsvorhaben mit sowie innerhalb des Vereins müssen mit dem
Vereinsvorsitzenden vorab besprochen werden. - Es bedarf der informierten Einwilligung aller Personen, die in direktem Zusammenhang mit dem
Forschungsvorhaben stehen oder die im Laufe des Forschungsprozesses möglicherweise von
der Forschung betroffen sein könnten. Der Einhaltung disziplinabhängiger wissenschaftlicher
Gütekriterien ist dabei Wichtigkeit beizumessen. - Insbesondere zwischen aktuellen Lerner:innen im Kontext von PROSA – Projekt Schule für Alle!
sowie unseren Buddys und dem Verein sowie potenziell in Absprache mit dem Verein
forschenden Personen besteht ein Abhängigkeitsverhältnis, weshalb die Einbeziehung
derzeitiger PROSA-Lerner:innen, Buddys sowie minderjähriger Personen an jeglichen
qualitativen und quantitativen Erhebungen nicht möglich ist. In Vorabsprache mit dem
Vereinsvorsitzenden stellen wir sehr gerne den Kontakt zu PROSA-Alumni her, die
möglicherweise Teil einer Erhebung sein möchten. - Die forschende Teilnahme an PROSA-Aktivitäten im Sinne einer teilnehmenden Beobachtung ist
grundsätzlich nur dann möglich, wenn das Erkenntnisinteresse der forschenden Person
gewährleistet, dass das Innenleben und die Biografien einzelner aktueller Nutzer:innen zu
keinem Zeitpunkt Forschungsgegenstand sind. Der Verein begrüßt und ermöglicht methodische
Vielfalt, solange institutionelle Prozesse und strukturelle Fragen im Zentrum des
Erkenntnisinteresses stehen. - Um eine nachhaltige, einander bereichernde Zusammenarbeit zu fördern und forschende wie
auch an der Forschung beteiligte Personen dabei gleichermaßen stärken zu können, legt der
Verein Wert auf reziproke Beziehungen innerhalb sowie außerhalb des Forschungsprozesses.
So können forschende Personen im Gegenzug für ein Interview mit PROSA-Lehrpersonen oder
PROSA-Alumni beispielsweise die Vereinbarung treffen, Unterrichtsstunden im gleichen Ausmaß
des Interviews oder länger abzuhalten. - Jegliche Forschungsvorhaben, insbesondere im Bereich der qualitativen Sozialforschung und
der ethnografischen Feldforschung, bedürfen einer für den Verein nachvollziehbaren kritisch-
reflexiven Auseinandersetzung mit der eigenen Position als Forscher:in und des eigenen
Erkenntnisinteresses. - Vor Beginn der Forschung wird um ein kurzes Exposé gebeten, in dem folgende Angaben zur
geplanten Forschung gemacht werden: Forschungsfrage, Forschungsgegenstand, methodisches
Vorgehen. Bitte auch folgende Fragen beantworten: Welche Vorkehrungen werden getroffen, um
extraktivistischen Forschungspraktiken vorzubeugen? Wie können wir deinen
Forschungsaufenthalt bei Vielmehr für alle! unterstützen? Gibt es konkrete Maßnahmen, die der
Verein setzen kann/sollte, um dein Forschungsvorhaben zu ermöglichen? - Im Einklang mit Zugängen zu nicht-extraktivistischer Forschung begrüßt der Verein
Forschungsprojekte, die nach der Nützlichkeit ihrer Erkenntnisproduktion für die Arbeit des
Vereins fragen. - Zudem wird im Zuge eines darauffolgenden Gespräches mit dem Verein auf die verschiedenen
Möglichkeiten näher eingegangen, wie der Verein dich bei der Forschung unterstützen kann.
Journalistische Beiträge
- Journalistische Anfragen sollten direkt an den Vereinsvorsitzenden gestellt werden.
- Der Verein rechnet mit einer sorgfältigen Berichterstattung und vertraulichen Behandlung jener
Daten, die der Journalist:in während der Recherchearbeit zur Verfügung gestellt wurden. Dabei
dürfen interne Dokumente, persönliche Daten von Mitarbeiter:innen, Vereinsmitgliedern oder
Partnerorganisationen nicht ohne deren explizite Zustimmung veröffentlicht werden. - Journalistische Beiträge im Zusammenhang mit dem Verein und seinen Mitgliedern sollen frei
von diskriminierenden Darstellungen und diskriminierender Sprache sein. Bei Unsicherheiten
diesbezüglich können sich Journalist:innen jederzeit an den Verein wenden. - Ähnlich wie bei Forschungen besteht auch im Kontext der journalistischen Arbeit ein deutliches
Machtgefälle zwischen vielen Journalist:innen und Personen in vulnerablen Situationen, über die
möglicherweise berichtet wird. Aus diesem Grund ist die direkte Berichterstattung über derzeitige
PROSA-Schüler:innen, Buddys sowie über minderjährige Personen innerhalb des Vereins nicht
möglich. In Vorabsprache mit dem Vereinsvorsitzenden stellen wir sehr gerne den Kontakt zu
PROSA-Alumni her, die möglicherweise Teil der Berichterstattung sein möchten. Der Kontakt
kann diesbezüglich über kontakt@vielmehr.at aufgenommen werden. - Die Behandlung von Themen, die Menschen in vulnerablen Situationen betreffen, erfordert die
Wahrung von Privatsphäre und Sicherheit sowie eine sachliche Darstellung geschilderter
Perspektiven. Sensationsorientierte Darstellungen oder Verallgemeinerungen sollen dabei
vermieden werden. - Journalist:innen bemühen sich, bei Informationen, die direkt vom Verein stammen, diesen als
Quelle anzugeben und stellen zudem sicher, dass Zitate und Daten korrekt wiedergegeben
werden. - Journalist:innen, die längere Interviews oder Reportagen mit Lehrpersonen, PROSA-Alumni oder
anderen Vereinsmitarbeiter:innen führen, können im Gegenzug Zeit und Expertise zur Verfügung
stellen, die Vereinsmitgliedern zugute kommt. Im Sinne einer reziproken Beziehung zwischen
Journalist:in und Verein können diese beispielsweise Workshops für Alumni halten oder den
Verein bei der Erstellung von Medienbeiträgen unterstützen.
Wir bitten um die Einhaltung dieser Leitlinien, denn sie dient dem Schutz aller Beteiligten und bildet
den Grundstein für eine nachhaltige Zusammenarbeit mit dem Verein.
